Ein Beitrag von Christine Öttl
Im Nachhinein
sehen viele Dinge ganz anders aus als in dem Moment, in dem man direkt damit konfrontiert ist. Bestimmt haben auch Sie sich schon über sich selbst amüsiert und sich gefragt: "Wie konnte ich damals bloß so handeln?! Wie konnte ich so kurzsichtig sein?! Ich hätte doch so und so vorgehen können; das wäre viel besser und leichter gewesen."
Der zeitliche und der damit verbundene innere Abstand machen es möglich, die Dinge in einem neuen Licht zu sehen, einen anderen – hilfreicheren und sinnvolleren – Standpunkt einzunehmen, den Gesamtüberblick zu bekommen oder weniger verkrampft und verwirrt zu sein. Oft fallen einem die Lösungsansätze dann einfach in den Schoß und Belastendes kann sich in Luft auflösen.
Wie souverän und selbstbestimmt man im täglichen Leben auftreten kann, ist eng mit der Fähigkeit verknüpft, eine gesunde Distanz zu den Dingen zu halten und sich nicht von Belastung und Hektik des Tages auffressen zu lassen. Und die Fähigkeit, aktiv und bewusst einen Schritt zurückzutreten, um Klarheit und neue Energien zu gewinnen, ist eine Gewohnheit, die sich trainieren lässt.
Hier einige Anregungen, wie Sie Abstand gewinnen können:
Pausen einschieben
Gerade wenn man unter Druck steht und sich gestresst fühlt, ist die Gefahr sehr groß, sich festzubeißen und weiterzumachen, auch wenn – oder gerade weil – man feststeckt und der Frustpegel schon ziemlich hoch ist. Man ist überzeugt davon, dass man jede Sekunde ausnutzen muss und sich eine Unterbrechung auf keinen Fall leisten kann, und gerät so immer tiefer ins Schlamassel.
Tun Sie sich selbst – und allen, die mit Ihnen zusammenarbeiten – einen Gefallen: Rufen Sie sich zur Räson und legen Sie eine Pause ein. Machen Sie zum Beispiel einen Spaziergang und atmen Sie tief durch oder gehen Sie gemütlich zum Essen und konzentrieren Sie sich darauf.
Was auch immer Sie tun: Lenken Sie sich von der Arbeit ab und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes.
Sie werden sehen, dass Sie sich nach der Pause frisch und erholt fühlen, dass Sie wieder einen klaren Kopf haben und mit neuer Energie weitermachen können. Und was Ihnen vorher so schwer gefallen ist, geht Ihnen lockerer von der Hand.
Richtig Urlaub machen
Nutzen Sie den Urlaub ganz bewusst, um Abstand von Ihrem Alltag zu bekommen. Wenn Sie im Geiste die ganze Zeit am Schreibtisch sitzen oder immer wieder arbeitsmäßig kontaktiert werden, können Sie nicht wirklich abschalten. Doch gerade wenn es sehr viel zu tun gibt, große Projekte geplant sind oder Sie sich stark unter Druck gesetzt fühlen, ist diese Distanz enorm wichtig und Gold wert. Klinken Sie sich aus und konzentrieren Sie sich auf Ihre Urlaubsaktivitäten, auf Ihren Partner, auf Ihre Kinder usw. Natürlich werden Ihre Gedanken immer wieder zum Job zurückkehren. Das geht wohl jedem so. Wichtig ist nur, dass Sie sich immer wieder in die Gegenwart zurückholen. Sie werden sehen, dass die Gedanken an die Arbeit nach einigen Tagen immer weniger werden und Sie langsam aber sicher eine innere Distanz dazu bekommen. Vielleicht sehen Sie Ihren Chef dann aus einer anderen Perspektive, vielleicht haben Sie Einfälle, wie diese oder jene Schwierigkeit zu lösen sein könnte. Vielleicht wird Ihnen bewusst, wie gerne Sie in Ihrem Unternehmen arbeiten und wie unwichtig einige Dinge im Grunde sind, über die Sie sich oft ärgern.
Mit jemandem darüber sprechen
Manchmal weiß man einfach nicht weiter, hat den Durchblick verloren und keine Ahnung, wie man das alles überhaupt schaffen soll.
Grübeln Sie nicht im stillen Kämmerlein vor sich hin. Meistens steigert man sich so nur noch mehr in die negative Stimmung hinein und zieht sich selbst hinunter. Profitieren Sie von anderen Menschen, um eine andere Meinung zu hören, andere – vielleicht ähnliche – Erfahrungen kennen zu lernen, um andere Sichtweisen, Lösungsansätze und Anregungen zu bekommen. Das kann ein Kollege sein, der Chef, Ihr Partner oder ein Freund. Wichtig ist, dass Sie einen "positiven" Menschen auswählen, der selber die Dinge aktiv angeht, gut analysieren und den Überblick bewahren kann. Jemand, der Sie in Ihrer negativen Sichtweise bestärkt oder Sie noch mehr verwirrt, bringt Sie nämlich keinen Schritt weiter.
Die Sache analysieren
Sie können auch geistig einen Schritt zurücktreten und die Sache quasi von außen betrachten: indem Sie Ordnung in Ihr Wirrwarr bringen und sich klarmachen, worum es eigentlich genau geht. Denn undefinierte Zustände wie "Es ist einfach viel zu viel. Ich krieg das nie auf die Reihe." machen erstens viel Angst und lassen sich zweitens nicht fassen und entschärfen.
Also: Was ist dieses "es" ganz genau? Um welche Aufgaben geht es? usw.
Sie werden sehen, dass das Ganze sehr viel von seiner Bedrohlichkeit verliert, wenn Sie Struktur reinbringen und durchblicken. Denn durch diese geistige Übung bekommen Sie den nötigen Abstand, um wieder klarer zu sehen und überhaupt auf die Idee zu kommen, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt.
Wenn Sie sich schwer damit tun, wenden Sie sich an Kollegen oder Freunde, die Sie dabei unterstützen können. Oder an einen professionellen Coach.
Sich regelmäßig entspannen und abreagieren
Alle, die regelmäßig und gerne Sport machen, werden mir zustimmen: Danach fühlt man sich wie neugeboren, erholt und frisch – körperlich wie auch mental. Da sich im Laufe eines Arbeitstages viel Spannung im Körper aufbaut – und je mehr man unter Druck steht, umso höher ist die
Anspannung – ist es wichtig, diese auch wieder abzubauen und den Organismus zu normalisieren. Suchen Sie sich eine Aktivität, die Ihnen wirklich gefällt und möglich macht, Spannung ab- und neue Energien aufzubauen. Je ausgeglichener und entspannter Sie körperlich sind, umso leichter gewinnen Sie Abstand vom Arbeitsalltag und umso klarer sind auch Ihre Gedanken.
Über die Autorin:
(c) Christine Öttl, objektiv. Management & Lebensqualität
eMail: objektiv@selbstmarketing.de
Christine Öttl war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin mit Schwerpunkt Bewerbung. Gemeinsam mit Gitte Härter hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.
Link zum Buch: