Ein Beitrag von Gitte Härter
Oft fühlen sich Bewerber wie eine Art Bittsteller: "Die Firma" hat "die Macht". Tatsächlich haben an einer Entscheidung über eine Zusammenarbeit beide Seiten ihren Anteil. Sowohl das Unternehmen als auch der Bewerber sind beteiligt, wenn es zu einem Vertrag kommt.
Interessanterweise messen Bewerber hier oft mit zweierlei Maß: Wenn sie selbst absagen, herauszögern oder sich "aus der Not heraus" für eine Stelle entscheiden, ist das total in Ordnung. Dass die Firma dieselben Rechte hat, gilt oft als "Machtausübung".
Natürlich ist es verständlich, dass man sich als Bewerber nicht gerade bestens fühlt: Für eine freie Stelle sind in der Regel zahlreiche andere Kandidaten mit im Rennen. Und so fühlt man sich eher in einer unguten Position.
Problematisch wird es dann, wenn sich ein Bittsteller-Verhalten einstellt.
Was ist mit "Bittsteller-Verhalten" gemeint? Darunter verstehe ich im Wesentlichen zwei große Bereiche:
1. ein reaktives Verhalten
2. es dem Gegenüber so recht wie möglich machen zu wollen
Die Gefahren
Es liegt auf der Hand, dass sich Bewerber hier ins eigene Fleisch schneiden.
Wer während des gesamten Bewerbungsprozesses nur reagiert,
- kommt passiv rüber (im schlimmsten Fall uninteressiert)
- vergibt sich selbst die Chance, eigene Fragen/Vorstellungen einzubringen, um sich ein klareres Bild über Unternehmen und Stelle zu machen
- zeigt kein aktives und klares Profil bzw. bringt keine konkreten Argumente für sich selbst vor.
Wer dem Personalentscheider grundsätzlich nach dem Mund redet,
- verhindert, dass sich die Firma ein echtes Bild über persönliche und fachliche Qualifikation bilden kann
- macht möglicherweise Versprechungen oder Zugeständnisse, die er/sie nicht halten kann oder möchte
- und: kommt schlimmstenfalls erneut passiv und profillos an.
Die Firma möchte, dass Sie erfolgreich sind
Anstatt Unternehmen als "Gegenseite" zu betrachten oder sogar pauschal den "Macht-Schwarzen-Peter" unterzuschieben, ist es hilfreicher, die Sache neutral und konstruktiv zu betrachten: Der Kern ist, dass die Firma nichts anderes möchte, als einen persönlich und fachlich qualifizierten neuen Mitarbeiter.
Entsprechend hofft ein Unternehmen darauf, dass sich gute und passende Bewerber melden. Das heißt, dass eine Firma sich in erster Linie wünscht, dass sich hinter jeder einzelnen Bewerbung ein vielversprechender Kandidat verbirgt.
Wichtig: Ein Unternehmen versucht im Auswahlverfahren, die "besten" Kandidaten zu finden. Es ist nicht das Ziel, bei jeder Bewerbung ein Haar in der Suppe zu finden oder sonstige Eliminierungsschablonen anzulegen.
Eigenverantwortlich sein!
Ob und inwieweit dem Personalentscheider das gelingt, ist in erster Linie einmal Ihre Sache! Denn Sie als Bewerber haben die Verantwortung dafür, ein authentisches und überzeugendes Profil von sich zu zeichnen.
Es ist Ihre Aufgabe - und Chance! - Interesse zu wecken, mit Argumenten zu überzeugen und wichtige Zusammenhänge oder Highlights zu betonen.
Ein guter Bewerber
- weiß, dass er/sie etwas zu bieten hat
- geht aktiv in eigener Sache vor
- bemüht sich um Informationen und stellt seine Fragen/Wünsche gleichberechtigt.
Verzweiflung ist unattraktiv
Das klingt hart, ich weiß. Und es gibt natürlich Situationen während der Arbeitssuche, in der man gar nicht anders kann, als frustriert und verzweifelt zu sein. Dennoch ist es eine Tatsache: Wenn ein Bewerber so rüberkommt, als ob er "alles annehmen würde", nur um Arbeit zu haben, ist das fast garantiert ein sofortiger Grund für eine Absage.
Das kennen Sie sicherlich auch aus dem Privatleben: Angenommen, Sie lernen jemanden kennen, dem die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben steht. Jemand, der unbedingt Anschluss sucht, nur um nicht alleine sein zu müssen - egal zu wem.
Genauso ist es in der Arbeitswelt: Ein Unternehmen will nicht einen Bewerber einstellen, der alles anzunehmen bereit wäre, was er kriegen kann. Eine Firma möchte, dass sich ein neuer Mitarbeiter gezielt beworben hat und dass er eine konkrete Motivation dafür hat, sich ausgerechnet auf diese Stelle/Firma zu bewerben.
Wie schätzen Sie sich selbst ein?
Hier einige angefangene Sätze, die Sie für sich einmal (schriftlich) zu Ende führen können, um sich klarer zu werden:
(1) Ich fühle mich in meiner Rolle als Bewerber
o gut, weil ...
o mittelmäßig, denn ...
o schlecht, weil ...
(2) Bewerber-Auswahl: Unternehmen sind ...
(3) Fachlich:
o Ich weiß, was ich kann. Bei den Stellen, auf die ich mich bewerbe, ist besonders vorteilhaft, dass ich ...
o Ich bin mir nicht sicher, was ich kann. Problem für mich ist ...
o Ich glaube, ich bin irgendwie nur Durchschnitt oder noch schlechter, weil ...
(4) Persönlich:
o Ich mag mich und bin zufrieden mit mir, weil ...
o So la la, weil ...
o Ich bin unsicher/unzufrieden mit mir, weil ...
(5) Bei Bewerbungen
o ... bereite ich mich gut vor, nenne eigene Vorstellungen und stelle aktiv Fragen. Das ist für mich selbstverständlich, weil ...
o ... bin ich eher zurückhaltend und stelle nur teilweise Fragen, weil ...
o ... sage ich selbst nie besonders viel aktiv, weil ...
Über die Autorin:
(c) Gitte Härter
eMail: objektiv@selbstmarketing.de
Gitte Härter war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin. Außerdem hat sie über zwei Dutzend Ratgeber veröffentlicht: https://www.schreibnudel.de .
Gemeinsam mit Christine Öttl hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.
Link zum Buch: