Ein Beitrag von Gitte Härter
Kürzlich erreichte mich in einem Internet-Forum folgende Frage, die sich viele Bewerber stellen: Was mache ich während des Bewerbungsprozesses, wenn mich eine Stelle ganz besonders interessiert, die betreffende Firma jedoch länger braucht?
Im Einzelnen ging es um folgende Punkte:
- Was mache ich, wenn ich von einer Firma einen Vertrag angeboten bekomme, mich eine andere Stelle jedoch mehr reizt - ich von dort allerdings noch nichts gehört habe? Kann und sollte man das Unternehmen, das einen einstellen möchte, hinhalten - und wenn ja, wie lange?
- Kann ich die Firma, wo ich lieber hinmöchte, bitten, mir innerhalb von zwei Tagen Bescheid zu geben? Bzw. wie lange dauert diese Entscheidung üblicherweise?
Wenn Sie sich schon einmal beworben haben oder momentan aktiv in Bewerbungen stecken, kennen Sie dieses Dilemma aus eigener Erfahrung. Man will keinen komischen Eindruck machen, man möchte die einen weder hinhalten, noch die anderen drängeln. Aber irgendwie einfach einen Vertrag unterschreiben, nur weil eine Firma schneller "Ja" sagt, das will man nun auch nicht.
Was also tun?
Wie lange dauert der Entscheidungsprozess?
Es gibt keine "festen Zeiten" wie lange ein Unternehmen für eine Entscheidung braucht. Die eine Firma entscheidet sich zeitnah, bei der anderen dauert es Wochen. Es gibt Unternehmen, die mehrere Monate brauchen.
Natürlich heißt das nicht, dass Sie das als Bewerber einfach hinnehmen müssen. Selbstverständlich sind Sie am Bewerbungsprozess auch aktiv beteiligt und nicht "wartender Bittsteller". Zum anderen sagt es auch einiges über die Firma aus, wenn sich diese über Gebühr Zeit lässt oder gar Monate braucht, bis sie sich bei ihren Bewerbern meldet.
In den meisten Fällen wird man Ihnen einen ungefähren Zeitrahmen mitteilen, wie es nun weitergeht und wie lange die Entscheidung in etwa dauern wird. Wenn dies nicht passiert: Fragen Sie ruhig danach. Es ist jedem Unternehmen klar, dass sich Bewerber aktiv um eine neue Stelle bemühen und deshalb natürlich auch ungefähr wissen müssen, wie die Planung seitens der Firma aussieht.
Manche Bewerber trauen sich nicht, nachzufragen aus Angst, das könnte schlecht ankommen. Ein guter Personalentscheider wird es jedoch positiv auffassen, wenn sich ein Bewerber aktiv meldet. Viele Firmen bieten sogar von sich aus an, sich ruhig zu melden, wenn es während des Bewerbungsprozesses Fragen gibt.
Achten Sie jedoch darauf, dass auch dieser Anruf einen positiven Eindruck von Ihnen vermittelt. Wer sich meldet und schon ganz pessimistisch meint, dass die Stelle sicher schon vergeben sei, der macht nicht den besten Eindruck. Auch ein unentschlossenes "Ich wollte nur mal fragen ..." ist nicht die Krönung. Seien Sie freundlich und selbstbewusst, erkundigen Sie sich danach, wie der Stand des Entscheidungsprozesses ist. Je nachdem, in welcher Phase des Bewerbungsprozesses Sie sind, können Sie den Anruf dazu nutzen, weitere Informationen zu geben, Fragen, die sich aus dem Gespräch ergeben haben, zu stellen oder auch eine Probearbeit anzubieten.
Bitte haben Sie Verständnis, wenn sich eine Firma nicht sofort meldet. In der Regel ist mir einer Stellenausschreibung eine Menge Arbeit verbunden - vom Sichten der Bewerbungen angefangen bis hin zu administrativen Dingen wie dem Verschicken von Zwischenbescheiden, Einladungen, Absagen. Und dem Koordinieren von Gesprächsterminen. Das braucht seine Zeit - insbesondere, wenn in einem Unternehmen mehrere Leute an der Entscheidung beteiligt sind.
Wenn eine Firma eine Zusage gibt
Tun Sie sich einen Gefallen und wägen Sie Firmen nicht endlos gegeneinander ab. Wenn Sie bei Firma A ein Vorstellungsgespräch hatten und begeistert sind, das Angebot auch passt, dann schlagen Sie ein! Sie würden ja auch privat, wenn Sie jemanden kennenlernen, nicht ständig denken: Vielleicht ist die/der nächste ja "besser", oder?
Wenn Sie beide Vorstellungsgespräche hatten - und von Ihrer "zweiten Wahl" eher ein Angebot bekommen, dann rufen Sie Ihre Favoritenfirma, die sich noch nicht gemeldet hat, an und sagen Bescheid: "Ich habe ein Angebot von einer anderen Firma vorliegen, ich würde jedoch lieber bei Ihnen anfangen. Haben Sie sich schon entschieden?" - Dann wird man Ihnen sagen, ob Sie vorne mit dabei sind oder getrost bei den anderen zusagen sollen. Und eine gute Firma wird sich jetzt schnell entscheiden und Sie nicht in die Situation bringen, das andere Unternehmen hinzuhalten.
Hinhalten ist übrigens immer schlecht. In meiner Zeit als Abteilungsleiterin, wenn ich jemandem zugesagt hatte, und die Person eine endgültige Entscheidung hinauszögerte, fühlte ich mich immer veräppelt und wollte am liebsten sofort wieder das Angebot zurückziehen. Meist haben sich Leute, die gezögert haben, auch nicht "gehalten" oder selbst wieder umorientiert.
Denken Sie auch an die weiteren Konsequenzen: Sie zögern mit einer Zusage - und Ihr Hinhalten zögert den gesamten Bewerbungsprozess auch für andere Kanidaten hinaus. Manche Firmen sagen ihren anderen Bewerbern sogar gleich vollständig ab, sobald sie einen Vertrag verschickt haben. "Was Du nicht willst, das man Dir tu ..." gilt also auch hier.
Wichtig ist: Wenn Sie sich über das Angebot einer Firma nicht so recht freuen können, dann konzentrieren Sie sich nicht nur darauf, ob die andere Firma vielleicht besser ist. Zum einen haben Sie von beiden Unternehmen nur einen ersten Eindruck erhalten und kennen die Praxis nicht. Zum anderen ist es wichtig, dass Sie die Stellen und Angebote auch separat beurteilen.
Wenn Sie ein Angebot von einer Firma erhalten und zögern und nicht sicher sind, dann gibt es in der Regel auch Gründe für Ihre Zweifel: Hinterfragen Sie Ihr Zögern und Ihre "Nicht-Freude" über das Angebot - Was begeistert mich an dieser Stelle/Firma? Was gefällt mir weniger? Warum zögere ich? Hatte ich schon im Vorfeld ein schlechtes Gefühl? Setzen Sie sich mit den einzelnen Aspekten auseinander.
Manchmal stellt sich auf diese Weise heraus, dass man das Angebot einfach nicht annehmen will - völlig unabhängig von anderen Möglichkeiten. Verstellen Sie sich den Blick nicht, indem Sie eine weitere Firma mit in die Waagschale werfen.
Möglicherweise stellt sich auch heraus, dass Sie voller Überzeugung bei der ersten Firma einschlagen möchten - und nur im direkten Vergleich zögerlich waren.
Über die Autorin:
(c) Gitte Härter
eMail: objektiv@selbstmarketing.de
Gitte Härter war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin. Außerdem hat sie über zwei Dutzend Ratgeber veröffentlicht: https://www.schreibnudel.de .
Gemeinsam mit Christine Öttl hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.
Link zum Buch: