Ein Beitrag von Vogel & Detambel coaching for executives
Vermutlich werden 95 % der Bewerbungsratgeber von Personen verfasst, die ihre Erfahrungen als Bewerber erworben haben. Die wenigsten Autoren waren offenbar schon mal im Personalwesen tätig oder haben schon mal in nennenswertem Umfang Mitarbeiter eingestellt. Anders ist eigentlich nicht zu erklären, weshalb immer wieder praxisferne Tipps in Umlauf gebracht werden. Tipps, die sowohl den Verfassern wie auch den Adressaten von Bewerbungsunterlagen das Leben unnötig schwer machen. Die sogenannte Dritte Seite ist eine solche praxisferne Kopfgeburt.
Einige Autoren empfehlen dem Bewerber, eine Dritte Seite anzufertigen. Die Dritte Seite soll, wenn es nach den Autoren geht, die sie empfehlen, die Überschrift tragen: Wie ich wurde, was ich bin oder Was Sie sonst noch über mich wissen sollten oder Meine Qualifikationen. Es soll also eine Art Selbstcharakteristik sein. Die Aufforderung zum Abfassen eines solchen Psychogramms fällt bei vielen Bewerbern auf fruchtbaren Boden. Sie haben offenbar den Eindruck, wesentliche Aspekte ihrer Persönlichkeit blieben auf der Strecke, wenn sie sich auf Anschreiben und Lebenslauf beschränkten. So ganz falsch ist dieser Eindruck sicher nicht. Die Möglichkeiten, sich im Rahmen einer schriftlichen Bewerbung umfassend zu präsentieren, sind tatsächlich begrenzt. Leider ändert die Dritte Seite nichts an diesem Tatbestand, sie verschärft ihn eher noch. Deshalb ist von der Dritten Seite strikt abzuraten.
Personalprofis, die sich regelmäßig durch große Stapel von Bewerbungsunterlagen hindurcharbeiten, wollen nicht mehr, sondern weniger lesen; deshalb überfliegen sie in aller Regel zuerst den Lebenslauf. Fehlen einem Bewerber bestimmte, unabdingbare Voraussetzungen sind also sogenannte K.O.-Kriterien nicht erfüllt - dann erübrigt sich das Lesen des Anschreibens und erst recht das Lesen der Dritten Seite. Dort können nämlich keine Aspekte mehr auftauchen, die aus einem objektiv ungeeigneten Bewerber einen geeigneten machen würden. Sucht z. B. ein Pharmaunternehmen einen Fertigungsleiter, der aufgrund gesetzlicher Anforderungen bestimmte fachliche Voraussetzungen erfüllen muss, dann kann ein Kandidat noch so toll sein - fehlen ihm diese Voraussetzungen, kommt er nicht infrage.
Erscheint ein Bewerber aufgrund seines Lebenslaufes interessant, dann liest der Profi das Anschreiben und schaut, ob nicht dort noch ein K.O.-Kriterium auftaucht. Das könnte z. B. ein zu hoher Einkommenswunsch sein oder ein sehr später Eintrittstermin. In diesem Fall ist es, wie schon zuvor, völlig belanglos, was in der Dritten Seite oder in den Zeugnissen steht sie zu lesen, bringt keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn; selbst bei exzellenten Zeugnissen kommt der Bewerber nicht infrage.
Fügen sich die Informationen aus Anschreiben und Lebenslauf zu einem positiven Bild, dann möchte der Personaler in der Regel wissen, zu welchem Urteil die früheren Arbeitgeber des Bewerbers kamen - er wird sich nun die Arbeitszeugnisse vornehmen jetzt erst und nicht schon bei der ersten Durchsicht. Der Profi arbeitet die Unterlagen also nach einer gewissen Informationshierarchie ab zuerst die harten Fakten und Technischen Daten aus dem Lebenslauf, dann die weichen Fakten aus dem Anschreiben und schließlich das Urteil der anderen.
Und an welcher Stelle kommt die Dritte Seite? Nach den Arbeitszeugnissen! Denn letztlich ist sie nichts anderes als ein selbstausgestelltes Zeugnis. Und welchen Wert selbstgeschriebene Zeugnisse haben, werden wohl alle Bewerber wissen: Keinen! Mit anderen Worte: Die Dritte Seite ist überflüssig. Aber nicht nur das. Sie kann sogar höchst negativ zu Buche schlagen. Dann nämlich, wenn die Selbstbeurteilung des Bewerbers im Widerspruch zu den Zeugnissen der früheren Arbeitgeber steht, oder wenn der Werdegang eine ganz andere Einschätzung nahe legt. Dann wird dem Bewerber - unausgesprochnen der Vorwurf gemacht, er sei unrealistisch, es fehle im an Einsichtsfähigkeit, oder er drehe sich die Dinge gerade so wie er es brauche. Das ist nicht besonders schmeichelhaft!
Manch ein Bewerber nutzt die Dritte Seite für die Darstellung von Sachverhalten und Fakten, die ihm weniger wichtig erscheinen Hobbys, Ehrenämter, außerberufliches Engagement zum Beispiel. Auch das ist unzweckmäßig. Für die Leser von Bewerbungsunterlagen ist es schon nicht immer leicht, Informationen aus drei verschiedenen Quellen - Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen zu einem ganzheitlichen Bild zusammenzufügen. Nicht, weil Personalleute minderbemittelt sind, sondern weil ständige Unterbrechungen nun mal zum Büroalltag gehören. Kaum jemand hat die Zeit und Gelegenheit, Bewerbungsunterlagen in Ruhe und ohne Unterbrechung zu lesen. Es macht also keinen Sinn, dem Leser die Aufnahme der Informationen durch das Eröffnen einer weiteren Informationsquelle der Dritten Seite zusätzlich zu erschweren. Entweder sind die Daten interessant und wichtig, dann gehören sie in den Lebenslauf, oder sie sind es nicht, dann sind sie auch in der Dritten Seite überflüssig. Was wichtig und interessant ist, erfährt man übrigens nicht aus Bewerbungsbüchern, sondern vom Empfänger der Bewerbung. Den ruft man nämlich am besten an, noch bevor man seine Unterlagen abfasst. Nach einem solchen Telefonat weiß man in aller Regel, was dem Empfänger besonders wichtig ist.
Und wo, fragt so mancher Bewerber, kann ich etwas zu meinen Ideen und Zukunftsplänen sagen, wenn ich keine Dritte Seite verwenden soll? Im Anschreiben! Genau dafür ist das Anschreiben nämlich gedacht. Und wenn man darauf verzichtet, die Anforderungen aus dem Anzeigentext aufzuzählen oder seinen Werdegang in Aufsatzform herunterzubeten, dann bleibt im Anschreiben auch genügend Platz, um etwas Aussagekräftiges über seine Ziele, Vorlieben und Vorzüge zu sagen.
Über die Autoren:
Vogel & Detambel
coaching for executives
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65187 Wiesbaden
Kompetenz aus 25 Jahren Tätigkeit in den Bereichen Personalberatung und Executive Search (u.a. für Neumann International, Berndtson-Gruppe, Eurosearch-Gruppe, Knight-Wendling), Outplacementberatung seit 1994.
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