Ein Beitrag von Gerhard Reichel
Nach dem ersten Höhenflug folgt für viele neu ernannte Führungskräfte die knallharte Landung - denn auch Führung will gelernt sein. Zum Start ist es wichtig, den Mittelweg zu finden. Weder sollte die neue Position zu forsch angegangen werden noch zu zaghaft. Der erste Eindruck hat Gewicht, auch wenn dem Neuling meistens noch eine Schonfrist gewährt wird.
Jahrelang hat der aufstrebende Führungsaspirant davon geträumt, nicht mehr nur für andere zu arbeiten, sondern selbst Verantwortung zu tragen - für Projekte, Budgets und Mitarbeiter. Doch ist endlich die Traumposition erreicht, folgt häufig die unangenehme Erkenntnis: Führungsperson zu sein, ist weitaus schwieriger als zunächst erwartet. Denn die neue Rolle bringt eine ganze Reihe unerwarteter Probleme und Unsicherheitsfaktoren mit sich. Folge: Nach dem Knallen der Sektkorken macht sich erst einmal frustrierende Ernüchterung bei vielen frisch gebackenen Chefs breit.
Um sich als Führungspersönlichkeit zu beweisen, bedarf es weit mehr als fachlicher Qualifikationen. Denn „Führungsneulinge“ befinden sich häufig in einer unangenehmen „Sandwich-Position“. Wer befördert und mit Führungsverantwortung betraut wird, muss an zwei Fronten kämpfen: Einerseits können frühere Kollegen unsicher, neidisch oder ablehnend reagieren. Andererseits muss der „Neuling“ gegenüber dem Vorgesetzten die eigenen Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Um solche Situationen erfolgreich zu meistern, bedarf es über die fachspezifischen Anforderungen hinaus viel Fingerspitzengefühls und sozialer Kompetenz. Diese „Extras“ an führungsspezifischen Kenntnissen zu erwerben, ist eine absolute Notwendigkeit, um sich im neuen Aufgabenbereich erfolgreich weiterzuentwickeln.
Weshalb gerade die ersten 100 Tage betrachten?
Bei der Fülle an neuen Aufgaben besteht schnell die Gefahr, sich in Details zu verlieren. Eine gute Planung und konkrete Etappenziele helfen, die schwierige Startphase erfolgreich zu meisten. Denn: Man bekommt niemals eine zweite Chance, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen. Diese amerikanische Redensart gilt ganz besonders für neue Chefs.
Die ersten hundert Tage waren ursprünglich eine von Journalisten gewährte Schonfrist für neue Amtsinhaber in der Politik. So viel Zeit wird ihnen für die Einarbeitung in den neuen Job zugestanden. Auch erste Erfolge sollten sich binnen dieser Zeitspanne einstellen, um dann die Beurteilung seitens der Presse positiv erfolgreich zu bestehen. Längst hat sich diese Bewertung auch im Wirtschaftsleben eingebürgert. Jede neue Führungskraft sollte daher in dieser wichtigen Startphase regelmäßig das eigene Handeln reflektieren.
Die ersten 100 Tage sind besonders wichtig,
„Fit“ - zum Führen
Jede neue Führungskraft muss erst einmal einige Bewährungsproben bestehen. Wichtigste Vorausaussetzung dafür ist das eigene Rollenverständnis. Aufsteiger sind nicht mehr länger allseits beliebte(r) Kollege/Kollegin, sondern müssen als Vorgesetzte Leistung und Verantwortung einfordern. Und auch auf der eigenen neuen Ebene wird es unter Gleichen Konkurrenz und Abgrenzungen geben. Diese emotionale Umstellung ist nicht immer leicht, aber notwendig, um die Herausforderungen der Führungsposition zu bestehen. Untersuchungen zeigen, dass Führungskräfte branchenübergreifend kaum auf die Schwierigkeiten dieser neuen Rolle vorbereitet werden.
Die hohen Anforderungen an die neu ernannten Führungskräfte, insbesondere auf der zwischenmenschlichen Ebene, werden von Unternehmen häufig unterschätzt. Denn Nachwuchsführungskräfte müssen sich mit zahlreichen Fragen auseinandersetzen: „Wie verhalte ich mich richtig gegenüber Mitarbeitern und bisherigen Kollegen? Wie gelingt es mir, sie zu motivieren und mich gleichzeitig durchzusetzen? Wie meistere ich Krisensituationen? Wie erkenne ich Rollenkonflikte, und wie kann ich sie lösen? Welchen Führungsstil sollte ich mir aneignen?“
10 Tipps für die zwischenmenschliche Ebene
Im Idealfall bereiten sich Führungsneulinge schon vor Antritt der neuen Position durch die Nutzung entsprechender Fortbildungsangebote vor. Sie lernen Rollenkonflikte zu erkennen, Krisensituationen zu meistern und den eigenen Führungsstil zu entwickeln. Aber auch wer einen Kaltstart hinlegen muss, kann Fehler vermeiden, indem er seine Ausgangssituation kritisch analysiert und Beziehungen aufbaut. Gerade die zwischenmenschliche Ebene spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle und wird von Unternehmen häufig unterschätzt. 10 Tipps können hier eine wertvolle Hilfestellung leisten:
1. Führen Sie mit möglichst vielen Mitarbeitern ein Kennenlerngespräch.
2. Klären Sie die Erwartungen: Was erwarten Vorgesetzte, Mitarbeiter und Dritte von Ihnen?
3. Bemühen Sie sich initiativ um eine gute Beziehung zu denen, auf deren Zusammenarbeit Sie angewiesen sind.
4. Fördern Sie von Anfang an den Teamgedanken bei den Ihnen unmittelbar unterstellten Mitarbeitern.
5. Achten Sie auf die Stärken Ihrer neuen Mitarbeiter und vor allem auf entsprechende Wertschätzung.
6. Beachten Sie die informellen Einflussmöglichkeiten Ihrer Mitarbeiter und nutzen Sie diese.
7. Verschaffen Sie sich Klarheit darüber, wohin die Reise gehen soll und machen Sie das deutlich.
8. Konzentrieren Sie sich nach eingehender Diskussion auf wenige wichtige gemeinsame Ziele, die zu präzisieren sind.
9. Gehen Sie notwendige Veränderungen, wo immer möglich, gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern an.
10. Pflegen Sie, wo immer möglich, eine offene, auf Vertrauen basierende Informationskultur.
Vermeidbare Schwierigkeiten
Die intensive Auseinandersetzung mit der Ist-Situation ermöglicht das aktive Steuern in die angestrebte Richtung. Durch Passivität gerät der Neuling schnell in Schwierigkeiten.
Wer seine neue Position offensiv unter den aufgezeigten Aspekten angeht, hat gute Chancen, die Bewährungsprobe erfolgreich zu bestehen und nicht in der operativen Hektik unterzugehen.
Über den Autor:
Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik, Forchheim, hat sich in mehr als 30 Jahren einen exzellenten Ruf als Rhetorik-Trainer erarbeitet. Unternehmer, Politiker und Führungskräfte schätzen das Know-how und die Persönlichkeit des mehrfachen Buchautors und gefragten Referenten. Sein 1975 gegründetes Institut für Rhetorik zählt mittlerweile zu den ersten Adressen Deutschlands. Die Teilnehmer lernen, in Kleingruppen souverän zu kommunizieren, lebendig zu reden und gehen damit als Persönlichkeit gestärkt neue Wege.
Weitere Infos bei: oder Post bei: Gerhard Reichel, Institut für Rhetorik, Tel.: 09191/89501, Fax: 09191/2801, http://www.gerhardreichel.de , reichel.seminare@t-online.de