Ein Beitrag von Gitte Härter
Während des Gespräches, meistens dann, wenn der Interviewer Firma und Unternehmen vorgestellt und sich ein näheres Bild vom Bewerber verschafft hat, bekommt man als Bewerber die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen.
Dieser Teil des Bewerbungsgespräches hat nicht nur den Sinn, dass man nähere Informationen einholt, sondern auch dem Interviewer zeigt, dass man:
Wer sich gut vorbereitet hat und eigene Fragen stellt, nützt also nicht nur seinem Selbstmarketing und steigert die Chancen auf eine Einstellung, sondern erreicht auch, dass er/sie
In unseren Coachings erleben wir es immer wieder, dass gerade die Leute, die immer "ins Klo" greifen oder die einfach nach einigen Monaten enttäuscht sind, sich schlichtweg kaum vorbereitet und es versäumt haben, im Gespräch entsprechende Informationen einzuholen. Dann kommt es zu Situationen wie diesen: "Die Stelle war gar nicht wie besprochen.", "Ich wurde/werde ja gar nicht richtig eingearbeitet, sondern muss mir alles selbst aneignen.", "Meinen Chef habe ich im Interview gar nicht kennen gelernt - jetzt verstehe ich mich gar nicht mit ihm.", "Die Firma ist gar nicht so wie dargestellt.", "Ich habe mir das ganz anders vorgestellt.", "Mir war gar nicht klar, dass ich im Großraum arbeiten muss.", "Die Firma ist ja noch im Aufbau - es gibt kaum Kunden und ich soll akquirieren." etc.
"Welche Fragen soll man denn stellen?"
Erstaunlicherweise stehen viele Bewerber ratlos vor der "Aufgabe", eigene Fragen zu stellen. Anstatt sich zu überlegen, was für einen selbst wichtig ist und was man ehrlich wissen möchte, wird nach Standard-Fragen gesucht und nach Mustern, die einen besonders gut und interessiert dastehen lassen.
Was weitgehend bekannt ist - obwohl es leider immer wieder vorkommt! - ist, dass es nicht der Hit ist, sich bei Fragen lediglich auf die Anzahl der Urlaubstage, etwaige Überstunden und das Gehalt zu beziehen.
Themenbereiche sind beispielsweise:
- Fragen zum Aufgabenbereich
(z. B. Wie würde ein durchschnittlicher Arbeitstag aussehen? Was genau gehört zum Stellenprofil und wie ist die Gewichtung der einzelnen Tätigkeiten? Sie schreiben "Zuarbeiten des Verkaufsteams" - ist das lediglich verwaltende Tätigkeit auf Zuruf oder hätte ich einen selbstständigen Aufgabenbereich?" ...)
- Fragen zur Arbeitsweise
(z. B. In Ihrer Anzeige haben Sie Eigeninitiative als wichtige Voraussetzung genannt. Was
genau heißt das für Sie? Worauf legen Sie in puncto Arbeitsweise bei Ihren Mitarbeitern am meisten Wert? In meiner früheren Firma haben wir immer mal wieder unsere Arbeitsabläufe in Frage gestellt und, wenn wir Verbesserungspotenzial gesehen haben, auch Abläufe verändert. Wie ist das bei Ihnen?)
- Fragen zu bestimmten Qualifikationen
(z. B. In der Ausschreibung sind sehr gute Englischkenntnisse als Anforderung genannt. Ich
kann sehr gutes umgangssprachliches Englisch in Wort und Schrift. Ist das ausreichend für diese Position? Was die Arbeit mit dem Computer angeht, bin ich in den üblichen Office-Programmen und mit dem Internet fit. Allerdings habe ich bisher nur sehr wenig mit Excel zu tun gehabt. Mit welchen Programmen wird bei Ihnen gearbeitet? In meiner früheren Stelle habe ich sehr viel telefonische Kundenberatung gemacht, was mir auch sehr viel Spaß machte - auch bei schwierigen Gesprächen war ich sehr erfolgreich. Allerdings habe ich, ehrlich gesagt, noch keine Erfahrung mit Kaltakquise gemacht. Wie sieht das denn konkret aus?)
- Fragen zur Einarbeitungsphase
(z. B. Wie lange würde es ungefähr dauern, bis ich vollständig eingearbeitet bin und meinen Bereich eigenständig managen kann? Wie würde die Einarbeitung konkret ablaufen?)
- Fragen zum Team, zu Zusammenarbeit und Betriebsklima
(z. B. Wie viele Kollegen hätte ich? In der Anzeige steht, dass gelungene Teamarbeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor in Ihrem Unternehmen ist. Wie sieht die Organisation in Teams genau aus? Auf Ihrer Homepage habe ich gelesen, dass das Arbeitsklima in Ihrem Unternehmen sehr positiv ist. Für mich bedeutet der Begriff "positives Arbeitsklima", dass.... Was verstehen Sie darunter? ...)
- Fragen zum und an den Vorgesetzten
(z. B. Wer wäre mein unmittelbarer Vorgesetzter? Welche Kommunikation gibt es zwischen Mitarbeitern und Führungskräften? Wann ist ein Mitarbeiter für Sie gut? Mit welcher Art von Mensch arbeiten Sie am liebsten zusammen? Für mich ist es sehr wichtig, zu erfahren, wie mein Vorgesetzter mich einschätzt, was ich gut mache und wo ich etwas verbessern sollte/könnte. Wie geben Sie Ihren Mitarbeitern Feedback? ...)
- Fragen nach Möglichkeiten und Perspektiven
(z. B. Welche langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten gibt es in Ihrem Unternehmen? Ich möchte gerne in einigen Jahren Personalverantwortung übernehmen. Einer der Punkte, die mich in Ihrer Anzeige sehr angesprochen haben, ist die Tatsache, dass Sie die ständige fachliche wie persönliche Weiterentwicklung Ihrer Mitarbeiter unterstützen. Wie sehen die Weiterbildungsmöglichkeiten konkret aus? ...)
Übrigens: Auch wenn es nicht gut ist, im ersten Gespräch von sich aus auf Konditionen wie Urlaub, Gehalt etc. zu sprechen zu kommen, so ist es doch sinnvoll, sich schon im Vorfeld zu überlegen, welche Fragen zu Konditionen Sie stellen möchten. Denn es kann sein, dass Ihr Gesprächspartner von sich aus die Türe zu Konditionsfragen öffnet. Oder Sie haben das erste Gespräch schon erfolgreich hinter sich gebracht und befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Bewerbungsverfahrens, sodass die Frage nach Konditionen immer aktueller wird.
Was ist, wenn der Interviewer vorher schon alles beantwortet hat?
Wir haben viele Jahre Mitarbeiter gesucht und eingestellt und es ziemlich häufig erlebt, dass Bewerber auf die Aufforderung "Welche Fragen haben Sie?" mit einem "Keine." oder auch "Sie haben mir schon alles beantwortet!" reagiert haben.
Das ist immer ein schlechtes Signal: Zum einen dauert ein reguläres Gespräch im Schnitt eine halbe Stunde bis zu einer Stunde - und meist dreht es sich dabei hauptsächlich um den Bewerber selbst. Insofern kann es unmöglich sein, dass "alles" besprochen wurde. Zum anderen zeigt es, dass der Bewerber die Position und Stellensuche zu undifferenziert angeht.
Sofern Sie unvorbereitet sind oder einfach einen Blackout haben (auch das kommt vor), sollten Sie die Aufforderung, eigene Fragen zu stellen, zumindest nutzen, um eine gute Figur zu machen und zu zeigen, dass Sie aufmerksam zugehört haben.
"Plan B" anstelle eigener Fragen ist es also, dass Sie sich für das informative Gespräch bedanken und noch einmal konkret ein, zwei Aspekte, die bereits genannt wurden, aufgreifen:
"Sie haben mir meine wichtigsten Fragen schon beantwortet. Vielen Dank. Mein Hauptpunkt war die Tätigkeit selbst und der Verantwortungsgrad. Hier hatten Sie mir ja gesagt, dass x und y."
Nehmen Sie diese Gelegenheit dann zum Anlass, noch einmal einige Pluspunkte über sich einzuflechten. Etwa, dass Sie gerne selbstständig arbeiten.
Wichtig ist, dass Sie im gesamten Gespräch immer nur Fragen stellen und Antworten geben, die auch wirklich zutreffen - und keinesfalls Interesse heucheln, etwas aus Büchern nachplappern oder Dinge sagen, von denen Sie glauben, dass das Gegenüber sie hören will.
Nicht jede Frage wird gestellt
Eigene Fragen vorzubereiten, bedeutet nicht unbedingt, dass Sie sie später auch alle stellen werden. Eine gute und intensive Vorbereitung ermöglicht nämlich, dass:
Tipp: Bereiten Sie Ihre Fragen schriftlich vor und nehmen Sie diese auch mit in das Gespräch. Das hilft Ihnen dabei strukturiert vorzugehen und - selbst wenn Sie im Gespräch nervös sein sollten - nichts zu vergessen. Es ist außerdem ein positives Signal an den Interviewer, dass Sie überlegt und vorbereitet zum Interview gekommen sind.
Über die Autorin:
(c) Gitte Härter
eMail: objektiv@selbstmarketing.de
Gitte Härter war selbst Führungskraft und viele Jahre Coach und Trainerin. Außerdem hat sie über zwei Dutzend Ratgeber veröffentlicht: https://www.schreibnudel.de .
Gemeinsam mit Christine Öttl hat sie unter anderem zahlreiche Bewerbungsratgeber veröffentlicht.
Link zum Buch: